Hendrik Freund ist der neue Bundessprecher der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken. Aktuell stehen viele Gespräche mit dem IT-Dienstleister Atruvia auf dem Plan.
Hendrik Freund, Bundessprecher der IG | Foto: Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken
von DANIEL ROHRIG
Die Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken besteht 2024 seit 20 Jahren. Im Mai dieses Jahres wurde eine neue Führungsmannschaft des Verbands gewählt. FinanzBusiness sprach mit Hendrik Freund, Bundessprecher der IG.
Herr Freund, Sie haben seit Mai den Bundessprecher-Posten der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken (IG) von Andreas Held übernommen. Was ist Ihre persönliche Motivation, als Sprachrohr dieser Institute aufzutreten?
Hendrik Freund: ”Als erstes ist es mir sehr wichtig, zu erwähnen, dass nicht nur ich einen neuen Posten in der IG übernommen habe, sondern meine geschätzten Kollegen Markus Urban und Jörg Porsche als stellvertretende Bundessprecher gewählt wurden. Wir hatten bewusst vor dieser Wahl sogar unsere Satzung geändert, um künftig bis zu drei stellvertretende Bundessprecher wählen zu können. Damit passen wir uns den immer mehr awachsenden Aufgaben unserer IG und damit mithaltenden Personalressourcen an. Ich bin seit fast 25 Jahren Raiffeisenbanker und 15 Jahren Vorstand einer kleinen Bank. Ich habe in dieser Zeit viele Höhen und Tiefen erlebt und musste als Vorstand aktiv mit einer Strategie das Geschäftsmodell unserer Bank verändern und zukunftsfähig machen. Dabei stellt man sich sehr oft die Frage, hat das für eine Bank unserer Größe überhaupt Sinn? Diese Frage habe ich mir bisher immer wieder mit Ja beantwortet. Kleine und mittlere Banken können nun einmal die Grundgedanken und das Grunderfolgsmodell unserer Gründungsväter, eines sehr kundennahen und regionalen Bankenwesens sehr aktiv leben. Jedoch habe ich auch immer wieder festgestellt, dass zum einen die externen Rahmenbedingungen eine sehr große Rolle spielen, ob Banken unserer Größe ihre Daseinsberechtigung bekommen und zum anderen, dass die kleinen und mittleren Banken sich oft deutlich unter Wert verkaufen und zu wenig gemeinsam ihre Stärken spielen. Und genau diese beiden Themen motivieren mich, die IG aktiv zu gestalten.”
Seit wann ist Ihr Heiminstitut, die Raiffeisenbank im Grabfeld, im Verband?
”Meine Bank ist bereits seit Oktober 2008 Mitglied der IG. Ich musste jetzt das Datum tatsächlich recherchieren und muss heute festhalten, dass es kein Zufall sein kann, dass dies damals eine meiner ersten Amtshandlungen bei meiner Vorstandsbestellung war. Wenn ich mir die Raiffeisenbank im Grabfeld und die IG von damals und heute anschaue, ist sehr schön zu erkennen, wie sich die Banken massiv verändert haben und auch die IG eine deutlich sichtbare Entwicklung erlebt hat. Sowohl bei den Banken als auch der IG steht heute vor allem die aktive Mitgestaltung deutlich mehr im Vordergrund als vor 15 Jahren.”
Die IG gibt es seit Ende 2004. Was sind die größten Meilensteine, die in den vergangenen Jahren erreicht wurden?
”Ich möchte vor allem auf die aktuelle Zeit blicken. Ich selbst bin seit etwas mehr als dreieinhalb Jahren im Vorstand der IG und war früher wie viele Kollegen eher passives Mitglied. Wenn es um die Meilensteine geht, ist es aus meiner Sicht wichtig, zu verstehen, warum es uns heute gibt und was wir als unsere Aufgaben ansehen und was wir auch nicht sind. Wir sind nicht die ’Polizei’ der kleinen und mittleren Banken und kontrollieren permanent, ob wir durch wen auch immer ungerecht behandelt werden. Wir verstehen uns als aktiver Partner und Mitgestalter in unserer genossenschaftlichen Finanzgruppe und darüber hinaus. Natürlich sprechen wir Themen an, wo wir die Fairness als gefährdet ansehen, bringen uns an dieser Stelle aber immer mit ein, um nach Lösungen zu suchen, die für alle tragbar sind. Mehr als 20 Verbund- und verbundnahe Unternehmen stehen mit aktuellen Themen nur in diesen Jahr hier und jetzt mit uns im aktiven Austausch. Dabei geht es natürlich auch um Preismodelle und finanzielle Gleichbehandlung aller Banken oder um die massiven aufsichtsrechtlichen Anforderungen an kleine Banken, zu denen aus europäischer Sicht ja quasi alle Volks- und Raiffeisenbanken gehören. Wir schaffen aber auch Mehrwerte durch Wissensvermittlung, Vernetzung von Partnern und Banken die nach gemeinsamen Lösungen, Innovationen und Stärken suchen, Entwicklungsarbeit in Digitalisierung unserer Gruppe und so vieles mehr.”
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Dachverband BVR und anderen Genossenschaftsverbänden? Hat die IG sich hier in den vergangenen Jahren ein gewisses Standing erarbeiten können?
”Erlauben Sie mir die Frage mit einem kleinen Schmunzeln zu beantworten und an den BVR und die Genossenschaftsverbände weiter zu geben. Die Kolleginnen und Kollegen der Verbände, können die Frage besser beantworten, welches Standing wir haben. Spaß beiseite. Die Zusammenarbeit mit allen genossenschaftlichen Verbänden kann ich aus meiner Wahrnehmung heraus nur loben. Menschlich finden alle Gespräche auf absoluter Augenhöhe statt.
Natürlich sind wir in bestimmten Themen nicht immer einer Meinung. Dies liegt aber in der Natur der Sache, da sowohl die Regionalverbände als auch der BVR nicht nur die Interessen unserer Mitgliedsinstitute vertreten. Mir ist es sehr wichtig zu erwähnen, dass wir immer aktiver in Veränderungsprozesse, Entscheidungsphasen und strategische Überlegungen mit einbezogen werden. Dies sehe ich auch als absolut logisch an, vertreten wir immerhin etwa 310 Mitgliedsinstitute und sind ja selbst auch Vorstände und damit Betroffene.”
Was sind aktuell die Schwerpunkte Ihrer Vereinsarbeit?
”Ein Schwerpunkt bleibt der regelmäßige Austausch in unserer Gruppe bei anstehenden Preis-, Beitrags- oder Provisionsmodellen. Jedoch konzentrieren wir uns immer mehr darauf, dass wir uns bei ’Zukunftsprojekten’ in unserer Gruppe frühzeitig aktiv mit einbringen. Dazu gehört natürlich ein enger und regelmäßiger Austausch mit der Atruvia oder den in unserer Gruppe neu gegründeten Unternehmen Amberra und Truuco.
Aber auch viele weitere Verbundunternehmen suchen den aktiven Austausch mit uns. Hier schauen wir auch über den Tellerrand der genossenschaftlichen Finanzgruppe hinaus. Wir haben unsere Kommunikation in Richtung unserer Mitglieder deutlich ausgebaut. Mit einer eigenen Mitglieder-App sind wir seit über zwei Jahren am Start. Regelmäßige Webinare sind mittlerweile Standard und künftig möchten wir unsere Kommunikation auch außerhalb des Mitgliederkreises ausbauen, um noch aktiver in unserer Gruppe zu agieren.”
Welche Themen, die kleinen und mittleren Volks- und Raiffeisenbanken auf den Nägeln brennen, können Sie besser vertreten als die größeren Verbände?
”In der Beantwortung dieser Frage sehe ich einen sehr wichtigen Grund, warum es die IG heute überhaupt gibt. Wenn wir als IG-Vorstände sprechen, dann sprechen wir als Betroffene. Ein Betroffener, der ein Problem erklärt und nach einer Lösung sucht, fordert oder mitgestaltet, ist immer authentischer und verbindlicher. Uns nicht ernst zu nehmen, ist, als ob man seine eigenen Kunden abschafft, beziehungsweise ihnen nicht glaubt. Wenn wir mit Professionalität, Fachkompetenz und Fairness in die Gespräche gehen, begegnet man uns auf Augenhöhe und wir haben eine gute Basis, um nach Lösungen zu suchen. Wir alle kennen das Sprichwort ’Betroffene zu Beteiligten machen.’ Wir nutzen dies quasi für die Ziele unserer Mitgliedsbanken.”
Was sind die Stärken und Schwächen kleiner genossenschaftlicher Geldhäuser?
”Ganz nahe Regionalität, Kundennähe, Entscheidungen vor Ort, absolute Marktkenntnisse, selbst als Mensch Teil der Region zu sein, für die man eintritt, sind für mich absolute Stärken, die uns alle einigen. Kleine und mittlere Banken haben zusätzlich die riesige Chance, individuelle Stärken aufgrund ihrer eigenen Situation und Rahmenbedingungen schneller, agiler und flexibler auszubauen und zu leben. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies größeren Strukturen schwerer fällt und soll kein Urteil sein, dass es natürlich auch Gründe gibt, beispielsweise durch Fusionen Stärken zu bündeln und auszubauen. Als Schwächen würde ich lieber auf Herausforderungen eingehen. Aber auch diese sind uns allen bereits bekannt und nichts neues. Der Arbeitsmarkt und Regulatorik sind große Herausforderungen, denen wir uns alle stellen müssen. Der Umgang mit der digitalen Transformation stellt gerade aufgrund der engen Personalkapazitäten kleine Häusern immer wieder vor neue Herausforderungen. Jedoch gibt es für all diese Themen immer wieder tolle Beispiele, wie man damit umgehen und für sich, also die Bank und Bankkunden, nutzen kann.”
An welchen Themengebiet sitzen Sie gerade genau?
”Ich persönlich bringe mich aktuell sehr stark in Digitalisierungsthemen und Prozesseffizienz ein. Somit erfolgt im Moment ein starker Austausch mit der Atruvia. Ich sehe hierin einen der größten Erfolgshebel unserer Gruppe und möchte mich deshalb hier intensiv einbringen. Intern in der IG bauen wir gerade unsere personelle Kapazitäten aus, feilen an unserer Organisation und Kommunikation.”
Wächst Ihr Verein eigentlich weiter? Bekommen Sie immer noch neue Mitglieder?
”Ja, wir bekommen noch neue Mitglieder, natürlich nicht so wie vor zehn oder 15 Jahren. Geben Sie mir die Chance, ein bisschen Werbung zu machen. Wir haben aktuell etwa 730 Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland. Davon sind etwa 310 Genossenschaftsbanken Mitglied unserer IG. Wir werden oft gefragt, bis zu welcher Bankengröße man eigentlich Mitglied werden kann beziehungsweise wir klein und mittel definieren. Durch das organische und fusionsbedingte Wachstum verändert sich die Durchschnittsbilanzsumme in unserer Gruppe jährlich. Wir haben keine fest definierte Größe einer Bilanzsumme als Ein- oder Ausstiegskriterium, sondern sehen dies eher dynamisch. Es geht bei klein oder groß, über oder unter dem Durchschnitt liegend auch nicht um gut oder schlecht, oder um mehr bzw. weniger zukunftsfähig. Es gibt noch sehr viele Volks- und Raiffeisenbanken, die aufgrund ihrer Größe zu uns passen würden und wir wollen diese auch aktiv für uns gewinnen, damit wir gemeinsam kollegial die Genossenschaftsbanken in Deutschland weiter als wichtige Säule des Bankensystems erhalten können. Jede Volks- und Raiffeisenbank, die sich mit unsere Zielen identifiziert, ist herzlich eingeladen, ein Teil unserer IG zu werden.”
Was werden die Herausforderungen der kommenden Jahre sein?
”Die von mir schon angesprochenen Themen sehe ich nicht als kurzfristig an, so dass sie uns auch in den kommenden Jahren begleiten werden. Neue und weitere Herausforderungen können für uns der digitale Euro, künstliche Intelligenz und die immer weiter voranschreitende Europäisierung unserer nationalen Regulatorik sein.”